Montag, 20. August 2007

Desinformationen zur Parteienfinanzierung

Ganz bemerkenswert ist die Karriere einer Falschmeldung der "BamS" vom Sonntag, der eine kurze, heftige, wenngleich nur zweitägige Karriere gegönnt war - und die am Ende vor allem eines bewies: Journalisten schauen nicht genau hin und die Politik weiß sehr genau, wie dies zu nutzen ist.
Aber der Reihe nach.
Am Samstag Vormittag knallte die Vorabmeldung der BamS (Chefredakteur: der frühere Sportschreiber, Boulevardmann und erfolglose TV-Moderator Claus Strunz) auf den sommerlich öden Nachrichtenmarkt - dabei war dies keineswegs neu oder gar exklusiv, sondern nur boulevardesk abgeschrieben und unzulässig überhöht.
Bereits am Donnerstag, 17. August, hatte die seriöse "Rheinische Post" vorab gemeldet:
Union und SPD wollen die staatlichen Zuschüsse an die Parteikassen deutlich erhöhen. Die derzeit auf insgesamt 133 Millionen Euro pro Jahr begrenzten Zahlungen sollen um mehr als zehn Millionen Euro angehoben werden, berichtet die "Rheinische Post" (Freitagausgabe) unter Berufung auf Parteikreise. Zur Begründung heiße es, damit solle die seit fünf Jahren unveränderte Obergrenze der staatlichen Teilfinanzierung an die Preissteigerungen angeglichen werden. Zwischen den Parteizentralen von Union und SPD gebe es bereits vertrauliche Gespräche über eine entsprechende Änderung des Parteiengesetzes.

Daraus machte dann die "BamS" - wichtig, wichtig - ein "internes Papier der Bundestagsfraktionen von Union und SPD" - und da sollten die Zuschüsse plötzlich gar um 20 Millionen Euro (von derzeit 133) auf 153 Millionen Euro jährlich angehoben werden, eine Steigerung um glatte 15 Prozent. Nur wenige Medien, die diese Meldung am Samstag und Sonntag übernahmen, erwähnten, daß den Parteien gesetzlich eine Steigerung um 7,8 Millionen Euro oder 5,9 Prozent zustehen würde - und daß diese fünf Jahre lang nicht in Anspruch genommen wurde. Die Steigerung der staatlichen Zuwendungen erfolgt nach dem sogenannten Parteien-Index des Statistischen Bundesamtes.

Interessant ist:
1. Niemand zitiert wörtlich aus dem angeblichen Papier - die zentrale Quelle für alles ist also nicht öffentlich nachvollziehbar!
2. Niemand erklärt die Differenz der Zahlen von "Rheinischer Post" und "BamS".
3. Niemand erklärt, warum Parteien steuerfinanzierte Zuschüsse erhalten, welchen Umfang sie hatten und haben und wie sie sich zusammensetzen. Statt dessen ist vom "Griff in die Staatskasse" o.ä. die Rede.
4. Niemand kapiert, daß die designierte neue SPD-Schatzmeisterin Barbara Hendricks ganz offenbar für das Amt nicht geeignet ist, da sie offenbar tatsächlich sagte:
"Wenn die Bürger sich entscheiden, sich nicht als Mitglieder in Parteien zu engagieren, wird dies zumindest zum Teil durch öffentliche Mittel ausgeglichen werden müssen.“
Ein wahrhaft sozialdemokratisch-etatistisches Parteienverständnis, daß allen Spekulationen und Fehlschlüssen nur Feuer gab!
5. Bemerkenswert aber auch, wie nun alle Medien eilfertig die Fahnen einrollen und die offizielle Lesart der Großkoalitionäre verbreiten: "An eine Änderung der Struktur der staatlichen Finanzierung hat niemand gedacht" (Wettig-Danielmeier), «klare gesetzliche Lage» und "kein Ansatz für Neuregelungen" (Kauder).

Da fragen wir uns doch:
Was stand denn in dem angeblichen Geheimpapier, das Basis für die BamS-Berichterstattung war, genau drin? Sind dort Gespräche protokolliert, Gesetzesänderungen avisiert, Zahlen und Margen genannt - oder nicht? Wieso ist die einzige und zentrale Quelle für den Bürger und Steuerzahler nicht nachvollziehbar? Und: Warum schreiben hunderte Medien dann unverändert eine Nachricht auf, deren einzige Quelle für sie nicht verifizierbar ist?

Also:
Entweder gibt es dieses Papier mit den berichteten Planungen - dann haben wir soeben den ersten Parteienskandal dieses Sommers erlebt. Oder es gibt dieses Papier nicht - dann ist soeben die erste fette Zeitungsente durchs Sommerloch gewatschelt.
Im Interesse der Integrität unserer Demokratie und unserer Medien ist dieser Sachverhalt dringend zu klären.

Nachtrag (23.56h):
"BILD" dementiert (natürlich ganz verklausuliert, still und leise!) das eigene Schwesterblatt "BamS" und schreibt gerade:
"Nach BILD-Informationen hatten die Partei-Schatzmeister eine Erhöhung von 133 auf 142 Millionen Euro ins Auge gefasst. Das wäre ein Anstieg um sieben Prozent."

Sieht derzeit also eher nach Ente aus....

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